
Behnk
Aufgewachsen in Hamburg-Rahlstedt, zwischen Kino, Küche und Kassettenrekorder. Erst Abi, dann Lehramtsstudium – Pädagogik und Geschichte. Nebenbei Filmvorführer, Roadie, immer unterwegs. Und irgendwann war da dieses Gefühl: Da draußen wartet mehr. Nicht im Hörsaal.
Sondern im echten Leben!

An einem Strand in Costa Rica sah ich diesen Koch,
Ich war auf Reisen, wie so oft damals. Rucksack, Fernweh und die Lust, die Welt zu sehen. In Costa Rica traf ich ihn: einen Koch, der an einem kleinen Restaurant direkt am Strand arbeitete. Frischer Fisch auf dem Grill und zufriedene Gäste mit salziger Haut. Seine Küche war einfach, aber voller Leben. Und sein Alltag? Frei, sonnig, selbstbestimmt. Ich sah ihm zu – und wusste plötzlich, was ich wollte.
Zurück in Hamburg schmiss ich mein Studium. Statt Klassenzimmer: Küche. Statt Theorie: Praxis. Ich begann meine Ausbildung im Landhaus Flottbek, einer ambitionierten Hamburger Adresse. Wir wollten mehr als Routine – wir wollten einen Stern.
Es war intensiv. Präzise. Leidenschaftlich. Und genau das, was ich gesucht hatte: ein Handwerk, das Kopf und Herz fordert.
-
Alles begann mit Oma Frieda und dem blauen Möwenei.
Ich weiß noch genau, wie sie war: resolut, herzlich, voller Geschmack. Oma Frieda stand mit beiden Beinen im Leben – und in ihrer kleinen Küche, in der es immer nach etwas Deftigem roch. Kohlrouladen, Gulasch, Grützwurst mit Apfelmus – bei ihr lernte ich, dass gutes Essen Menschen zusammenbringt. Dass ein Eintopf trösten kann. Und dass Liebe durch den Magen geht, lange bevor das ein Werbeslogan wurde.
Wenn sie von früher erzählte, von Delikatessen, die es heute kaum noch gibt, dann bekam ihr Blick etwas Wehmütiges. Einmal brachte sie mir ein Möwenei mit – eine fast vergessene Spezialität. Die grünlich-bläuliche Schale war für mich als Kind die totale Exotik – als wäre es ein Schatz aus einer anderen Welt.
Was ich damals noch nicht wusste: Sie hatte den Grundstein gelegt. Nicht in Form eines Rezepts, sondern als Gefühl. Dass Essen etwas bedeuten kann. Dass es Erinnerungen weckt, Sehnsucht schürt, verbindet.
Und daheim in Rahlstedt, bei meiner Mutter, wurde diese Leidenschaft genährt – Tag für Tag, Woche für Woche. Es gab eine immerwährende Abfolge ehrlicher Hausmannskost: Frikassee, Rinderrouladen, Erbsensuppe mit Speck. Ein Kreislauf des Soulfoods.
Ich glaube, meine Liebe zum Kochen war nie eine Entscheidung – sie war ein Erbe. Eines, das mit einem Möwenei begann.
-
Kochen zwischen Masten, Meeren und Märkten.
Nach meiner Ausbildung zog es mich aufs Meer. Die Sea Cloud war ein Traum aus Teak, Segeln und Silberbesteck – ein 3-Master, stilvoll bis ins letzte Detail. Ich erinnere mich an das erste Mal über den Atlantik, die Gischt, das Licht, das Kochen bei Seegang.
Und die Gäste: anspruchsvoll, weltoffen, genussfreudig. Wir haben mediterrane Menüs entworfen, täglich frisch, und jeden Tag aufs Neue improvisiert.
Später auf der Runaway, einer privaten Charteryacht, wurde es noch intensiver. Nur ich in der Kombüse, 36 Meter Schiff, zwölf Gäste, manchmal anspruchsvoller als jedes Sterne-Restaurant.
Ich habe gekocht, was die Inseln hergaben: Papayas auf St. Lucia, Langusten auf Antigua – und auf Dominica ein Bündel wilder Gewürze gekauft, das nach feuchtem Urwald roch: Muskat, Zimt, Piment, frischer Ingwer. Daraus wurde ein duftendes Fischcurry mit Kokosmilch, das ich abends unter Deck serviert habe – begleitet vom Rauschen des Meeres und einem Tropenregen auf dem Oberdeck.
Mein Anspruch war, dass jedes Menü nach dem Ort schmeckt, an dem wir gerade vor Anker lagen.
Diese Jahre auf dem Meer haben mir gezeigt, wie viel Freiheit, Disziplin und Kreativität in der Küche stecken – besonders, wenn die Welt dein Markt ist.
-
Das Nil – wo ich verstand, ein echter Gastgeber zu sein.
Nach meiner Rückkehr von Bord hat es mich ins Restaurant Nil in Hamburg verschlagen – und habe dort mehr über Gastfreundschaft gelernt als irgendwo sonst.
Zwei Jahre stand ich in der Küche, dann ein Jahr im Service und an der Bar. Eine bewusste Entscheidung: Ich wollte die Perspektive wechseln, raus aus dem sicheren Terrain, mitten hinein ins Herz eines Abends.
Das Nil war lebendig, ein bisschen wild, menschlich. Und es hatte dieses ganz besondere Verständnis von Gastronomie: dass sie mehr ist als gutes Essen. Dass es um Atmosphäre geht, um den Moment, in dem jemand ankommt und spürt: Hier bin ich richtig.
Ich habe gelernt, Gäste zu lesen, Wünsche zu spüren, Gespräche zu führen. Und auch, wie wichtig die kleinen Dinge sind: eine warme Begrüßung, ein unaufdringliches Nachschenken, ein gut gesetzter Blickkontakt.
Kochen ist ein Handwerk – Gastgeber sein ist eine Haltung. Im Nil habe ich beides miteinander verbunden. Und verstanden, dass das eine ohne das andere leer bleibt.
Wenn Sie das nächste Mal im Nil essen gehen – schauen Sie sich doch mal die Wände an. In den Leuchtkästen hängen Dias aus vergangenen Tagen. Vielleicht entdecken Sie mich hier und da: den jungen Thorsten, mit leicht müden Augen und großen Plänen.





Frikadellen für die Seele.
Das Nil war für mich mehr als eine Station – es war ein Zuhause auf Zeit. Zwei Jahre in der Küche, ein Jahr im Service. Ein Ort voller Charakter, Haltung und großartiger Kolleginnen und Kollegen.
Und irgendwann kam einer zu mir, nach einem dieser langen Mittagsdienste, und fragte: „Sach ma, kannst du morgen wieder die Frikadellen machen? Die von deiner Oma.“
Also habe ich Frikadellen „Oma Behnk“ zubereitet – sehr dunkel gebraten, fast karamellisiert, mit gestovten Bohnen in Sahnesauce und Petersilienkartoffeln. Ganz einfach. Ganz ehrlich. Ganz viel Kindheit.
Sie wollten sie immer wieder. Und ich verstand, dass Essen nicht laut sein muss, um Eindruck zu hinterlassen. Manchmal reicht ein Teller, der erinnert. Einer der wärmt. Und der bleibt.
Ob in der Bar Hamburg, im Abendmahl oder später bei Workshops im Jemen – ich habe schnell gelernt: Jede Küche ist anders. Und jede bringt einen neuen Blick auf das, was möglich ist.
In Australien habe ich Leichtigkeit gespürt. Offene Küchen, ehrliche Produkte, ein direkter Zugang zum Kochen. In New York war alles anders: schneller, härter, fordernder. Als Vertretung des Küchenchefs im The Manor habe ich gelernt, Entscheidungen zu treffen – und ihnen standzuhalten.
Kochen heißt auch: sich immer wieder neu erfinden
Zurück in Hamburg kam ich ins Artisan – zu Thorsten Gillert, einem der prägendsten Mentoren meiner Laufbahn. Das Restaurant war seiner Zeit um Jahre voraus.
Bei ihm habe ich verstanden, dass Kochen mehr sein kann als Handwerk: ein Ausdruck, eine Haltung, manchmal sogar eine Inszenierung. Und ich habe gelernt, wie man mit Aromen Geschichten erzählt.
Parallel entstanden neue Formate: Pop-ups, Schulungen, kulinarische Abenteuer.
Ich habe mit Jugendlichen gekocht, Produkte entwickelt, Restaurants auf Kreuzfahrtschiffen konzipiert und zum Laufen gebracht und Traditionshotels neuen kulinarischen Esprit eingehaucht.
Heute liegt mein Fokus auf dem, was kommt: nachhaltige Food-Konzepte, neue Zutaten, kluge Ideen. Ich entwickle Rezepte auf Algenbasis, gestalte moderne Speisekarten wie kürzlich beim Relaunch der Wienerwald Restaurants.
Ich liebe es, am Puls zu bleiben. Und Kulinarik als das zu denken, was sie wirklich ist: ein lebendiger Spiegel unserer Zeit.
Lehren, lernen, weiterdenken – die Küchenpraxis-Jahre
2006 habe ich mit Jörg Nöcker die Küchenpraxis gegründet. Rückblickend waren wir echte Pioniere: eine Kochschule, ein Think Tank, ein Ort für Austausch, Genuss und Entwicklung.
In dieser Zeit haben wir über 1.100 Kochkurse gegeben. Mehr als 8.500 Menschen haben teilgenommen – vom Azubi bis zum CEO. Wir haben gekocht, gefachsimpelt, gelacht – und voneinander gelernt.
Die gemeinsame Zeit mit Schoko war intensiv, inspirierend und unglaublich produktiv. Wir haben uns ideal ergänzt und über viele Jahre hinweg Konzepte, Rezepturen, Events und Formate entwickelt, die weit über die klassische Kochschule hinausgingen.
Und doch kam irgendwann das Bedürfnis, wieder näher ans Produkt zu rücken. Näher ans Experiment, an die Idee, ans Unfertige.
Heute arbeite ich in meinem eigenen kleinen Labor im Pilatuspool, zwischen Hamburger Michel und Laeiszhalle.
Es ist ein Ort des Entwickelns, des Improvisierens – und vielleicht auch ein Stück Rückkehr zu dem, was mich einmal auf den Weg gebracht hat.
Ob als Gastgeber, Berater oder Produktentwickler – heute verbinde ich all das, was mich über die Jahre geprägt hat.
Ich koche. Ich berate. Und ich entwickle.